Die Rechtsform der Aktiengesellschaft (AG) erfreut sich auch bei kleineren Unternehmen immer größerer Beliebtheit. Vor allem die flexible Möglichkeit der Mitarbeiterbeteiligung ist in Zeiten des Fachkräftemangels für viele ein Argument zur Umwandlung ihrer GmbH. Aber funktioniert die AG für kleinere Unternehmen ebenfalls?
In unserer Beratungspraxis werden wir im Vorfeld solcher Vorhaben oft als erstes nach den wesentlichen funktionalen Unterschieden zwischen GmbH und AG gefragt. Vor allem haben die Mandanten dabei immer wieder die Sorge, mit einer AG die Kontrolle über das eigene Unternehmen zu verlieren.
Tatsächlich lassen sich AGs (anders als z.B. GmbHs) nicht so einfach „aus einer Hand“ lenken. Aber das erklären wir Ihnen gerne genauer – vor allem auch konkret den Fall, wenn Sie einen unliebsam gewordenen Unternehmenslenker wieder loswerden wollen.
Der Aufbau der AG
Während es bei der GmbH mit der Gesellschafterversammlung und der Geschäftsführung nur zwei sog. Organe gibt, besteht eine AG aus drei Organen: Hauptversammlung, Aufsichtsrat und Vorstand.
Die Gesellschafter einer AG werden Aktionäre genannt. Sie können aus natürlichen oder juristischen Personen bestehen. Eine Mindestanzahl gibt es nicht. Eine AG kann also auch nur einen einzigen Aktionär haben.
Die Versammlung aller Aktionäre, die Hauptversammlung, wählt und bestellt die Mitglieder des Aufsichtsrates. Der Aufsichtsrat als Kontroll- und Beratungsorgan bestellt, überwacht und berät den Vorstand, das Leitungsorgan der AG und Äquivalent zur Geschäftsführung bei der GmbH.
Die für die jeweilige Bestellung zuständigen Organe sind spiegelbildlich auch für den Widerruf der jeweiligen Bestellung zuständig.
Das Zusammenspiel von Vorstand und Aufsichtsrat
Der Vorstand führt die Geschäfte der AG und vertritt sie nach außen. Er muss aus mindestens einer natürlichen Person bestehen. Anders als die Geschäftsführer einer GmbH ist der Vorstand keinen Weisungen der Gesellschafter (also der Aktionäre) unterworfen. Er kann potentiell sogar ganze Unternehmen aufkaufen, obwohl die Aktionäre dies eigentlich nicht wollen.
Genau hier kommt nun der Aufsichtsrat ins Spiel. Denn der Vorstand wird durch ihn kontrolliert und beraten. Der Aufsichtsrat muss aus mindestens drei natürlichen Personen bestehen. Wird ein Vorstandsmitglied seinen Aufgaben nicht gerecht, muss der Aufsichtsrat einschreiten. Im Härtefall kann auch eine Trennung notwendig sein.
Während man bei einer GmbH zugleich Gesellschafter und Geschäftsführer sein kann, gibt es bei einer AG Beschränkungen. So kann aufgrund der klaren Kompetenzverteilung und drohender Interessenkonflikte ein Aufsichtsratsmitglied nicht zugleich dem von ihm zu kontrollierenden Vorstand angehören. Die Doppelrolle als Aktionär und Vorstand oder Aktionär und Aufsichtsrat ist aber ohne Weiteres möglich.
Wenn Sie sich entscheiden, Vorstand Ihrer AG zu werden, setzen Sie sich also der Kontrolle von mindestens drei anderen Personen aus, die Sie sogar gegen Ihren Willen absetzen können. Wenn Sie sich für die Übernahme eines Aufsichtsratspostens entscheiden, sitzen Sie in der zweiten Reihe und mindestens eine andere Person lenkt die Geschicke Ihres Unternehmens als Vorstand. Nicht nur bei Ein-Mann-Gesellschaften, sondern auch bei pluralistischen Gesellschafterkreisen, die bislang sämtlich zugleich Geschäftsführer ihrer GmbH waren, kann die Entscheidung für ein Amt im Aufsichtsrat oder Vorstand daher durchaus heikel sein.
Neben Haftungsaspekten hängt dabei viel von der Frage ab, wie leicht man einen unliebsam gewordenen Vorstand austauschen kann.
Bestellung und Anstellung des Vorstands
Zu unterscheiden ist wie bei der GmbH zwischen der Bestellung und der Anstellung des Vorstandsmitgliedes.
Bestellung bedeutet dabei, dass die jeweilige Person gesellschaftsrechtlich ins Vorstandsamt berufen wird und die im Aktiengesetz vorgesehenen Rechte und Pflichten erhält. Ab dem Zeitpunkt der Bestellung darf diese Person insbesondere die AG nach außen vertreten.
Die Anstellung betrifft die dienstrechtliche Ebene und erfolgt mittels Vertrag zwischen AG und Vorstand. Sie ist grundsätzlich unabhängig von der Bestellung nach den allgemeinen Vorschriften des BGB zu beurteilen. Der Anstellungsvertrag regelt als Dienstvertrag die arbeitsrechtlichen Bezüge des Vorstandsmitglieds für seine Tätigkeit, also dessen Gehalt.
Jeder Vorstand einer AG kann nur befristet für eine Höchstdauer von fünf Jahren bestellt und angestellt werden (§ 84 Abs. 1 S. 1 und S. 5 AktG).
Sowohl für die Bestellung als auch für die Anstellung sind der Aufsichtsrat zuständig, der hierfür die AG gegenüber dem jeweiligen Vorstandsmitglied vertritt.
Abberufung und Kündigung des Vorstands
Sofern innerhalb der bei Bestellung und Anstellung festgesetzten Frist keine erneute Bestellung vorgenommen wird, endet das Vorstandsamt ebenso wie die Anstellung durch Zeitablauf. Dann werden die Karten neu gemischt und es kann wieder frei entschieden werden, wie die Rollenverteilung vorzunehmen ist.
Will die AG ein Vorstandsmitglied allerdings vor Ende der festgesetzten Frist loswerden, muss der Aufsichtsrat tätig werden.
Gegenstück zu Bestellung und Anstellung sind Abberufung und Kündigung. Die Abberufung (oder auch „Widerruf der Bestellung“) bedarf eines Beschlusses und einer Erklärung durch den Aufsichtsrat. Das Anstellungsverhältnis wird von dem Widerruf jedoch nicht berührt. Dessen Beendigung ist gemäß den allgemeinen zivilrechtlichen Regeln (§§ 611 ff. BGB) vorzunehmen. Im Widerruf kann zwar die schlüssige Erklärung einer außerordentlichen Kündigung liegen. Zur Sicherheit sollte die Kündigung aber immer durch den Aufsichtsrat zusätzlich zur Abberufung mit beschlossen und erklärt werden.
Gründe für eine Abberufung des Vorstands
Anders als bei der GmbH, deren Geschäftsführer grundsätzlich jederzeit abberufen werden können, verlangt § 84 Absatz 4 AktG für die Abberufung eines Vorstandsmitgliedes zwingend einen „wichtigen Grund“.
Als solcher wird im Gesetz beispielhaft eine grobe Pflichtverletzung, Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung oder Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung genannt. Im Übrigen liegt ein wichtiger Grund vor, wenn Fortsetzung des Organverhältnisses bis Ende der Amtszeit für die AG unzumutbar ist, wobei die Interessen der AG und des Vorstandsmitglieds gegeneinander abgewogen werden müssen. Sinn und Zweck der engen Grenzen der Abberufung ist, dass der Vorstand grundsätzlich unabhängig von Aufsichtsrat und Aktionären in eigener Verantwortung („in Ruhe“) die Gesellschaft – optimaler Weise zum Erfolg – führen soll.
Beispiele für den wichtigen Grund „grobe Pflichtverletzung“:
- dringender Verdacht einer Straftat, u.a. Untreue zu Lasten der AG
- Manipulation von Bilanzen,
- Bestechung (Bestechlichkeit), Korruption
- Schädigung der AG durch außerdienstliches Verhalten
- Nichtbeachtung von Zustimmungsvorbehalten, die der Aufsichtsrat aufgestellt hat
Beispiele für den wichtigen Grund „Unfähigkeit“:
- Fehlen notwendiger Kenntnisse
- unzureichendes Risikomanagement
- Unverträglichkeit, die kollegiale Zusammenarbeit gefährdet oder gar ausschließt
Der wichtige Grund „Vertrauensentzug“ nimmt eine Sonderstellung ein. Hier gibt es keinen Beschluss des Aufsichtsrates, sondern einen Beschluss der Hauptversammlung, also der Aktionäre. Dieser Beschluss muss auch nicht näher begründet werden und ist wirksam, sofern er nicht aus offenbar unsachlichen Gründen getroffen wird. Für einen Vertrauensentzug ist damit noch nicht einmal erforderlich, dass dem Vorstandsmitglied ein persönlicher Vorwurf gemacht werden kann. Er ist sogar wirksam, wenn das Vorstandsmitglied bei Meinungsverschiedenheiten über wesentliche Unternehmensentscheidungen objektiv im Recht sein mag.
Beendigung des Anstellungsvertrages
Der Anstellungsvertrag eines Vorstandes ist als befristeter Vertrag grundsätzlich nicht ordentlich kündbar. Soll die Vorstandsanstellung vorzeitig enden und stimmt das Vorstandsmitglied einem Aufhebungsvertrag nicht zu, bleibt daher oft nur die außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund.
Die fristlose Kündigung aus wichtigem Grund regelt § 626 Abs. 1 BGB. Erforderlich ist, dass es für die AG bei Abwägung der relevanten Interessen beider Seiten unzumutbar (§ 314 Abs. 1 S. 2 BGB) sein muss, das Anstellungsverhältnis (v.a. die Bezahlung des Gehalts) bis zum planmäßigen Ablauf der Anstellungsfrist fortzusetzen. Hier gelten also prinzipiell dieselben Grundsätze wie bei der fristlosen Kündigung von Arbeitnehmern – nur eine Abmahnung wird von den Gerichten oft als entbehrlich erachtet.
Erfolgt die Abberufung also wegen einer groben Pflichtverletzung, wird meist auch ein wichtiger Grund für die fristlose Kündigung gegeben sein. Bei der Abberufung wegen Unfähigkeit wird es schon deutlich „dünner“ für die AG, da hier auch Umstände ausreichen, bei denen die Interessen des Vorstandsmitglieds eher geringes Gewicht haben (z.B. die Unverträglichkeit zur kollegialen Zusammenarbeit). Im Falle einer Abberufung durch Vertrauensentzug bedarf es in jedem Fall einer umfassenden ergänzenden Begründung der Kündigung, da der Vertrauensentzug sogar ohne jedes Fehlverhalten des Vorstandsmitglieds erfolgen kann.
Mit vertraglichen Vereinbarungen kann man das Auseinanderdriften von Bestellungs- und Anstellungsende abfedern. Möglich ist insbesondere die Vereinbarung von Klauseln im Anstellungsvertrag, wonach die Vertragslaufzeit an die Bestellung gekoppelt wird. So kann z.B. vereinbart werden, dass bei einem Widerruf der Bestellung zugleich die Anstellung endet. Solche Koppelungs- oder Gleichlaufklauseln werden von den Gerichten allerdings kritisch gesehen und sind nur mit bestimmten Kriterien wirksam. Insbesondere ist es erforderlich, dass die Kündigungsfristen des § 622 Abs. 1 BGB nicht unterschritten werden.
Rolle und Funktion sollten entscheiden
Die AG bietet also einige funktionale Einschränkungen und Hürden, die an der zentralen Leitungsfigur des Vorstands und entsprechenden Trennungsszenarien gut veranschaulicht werden können.
Wer sich gar nicht einschränken lassen und seine Gesellschaft aus einer Hand lenken möchte, ist daher bei der GmbH sicherlich besser aufgehoben.
Für alle anderen kann die AG mitunter großartige Gestaltungsmöglichkeiten bieten. Mit Vorstand und Aufsichtsrat ergibt sich ein gesetzlich vorgefertigtes Set aus Rollen und Funktionen, das bei so manchen Gesellschafterkreis schon für viel neue Klarheit im Unternehmen und eine konstruktive Funktionsaufteilung gesorgt hat. Wenn man dann noch Mitarbeiter ohne Gang zum Notar an der Gesellschaft beteiligen und allein durch die Rechtsform eine „große“ Außenwirkung erzeugen kann, ergibt sich für so manchen Unternehmer ein überraschend attraktives Gesamtpaket.
Nicht selten sind Unternehmer mit einer für sie eigentlich nicht passenden Rechtsform im Wettbewerb unterwegs oder die Rollenverteilung im Unternehmen führt zu täglichen Reibungsverlusten. Zu unserer Arbeit als Unternehmensgestalter gehört es daher vor allem, Ihnen Möglichkeiten aufzuzeigen und Sie am Ende mit genau der maßgeschneiderten Gestaltungslösung auszustatten, mit der Ihr Unternehmen wirklich für Sie arbeitet.
Hat Ihr Unternehmen die passende Rechtsform oder sehen Sie da noch Luft nach oben?