Herbert Hainer, Präsident des Fußball-Club Bayern, München e. V. und Aufsichtsratsvorsitzender der FC Bayern München AG, sucht am Donnerstag (25.05.2023) zusammen mit dem Aufsichtsratsmitglied Uli Hoeneß das Gespräch mit den AG-Vorständen Oliver Kahn und Hasan Salihamidzic. Es geht dabei um den Wunsch der Aufsichtsräte, sich vorzeitig von beiden Vorständen zu trennen und hierfür eine einvernehmliche Beendigungslösung zu finden. Während Salihamidzic einem Aufhebungsvertrag zustimmt, lehnt Kahn ab. Daraufhin tritt der Aufsichtsrat der FC Bayern München AG am Freitag (26.05.2023) per Videokonferenz zusammen und beschließt die sofortige Abberufung und Kündigung von Oliver Kahn. Am Samstag (27.05.2023) gewinnt der FC Bayern die 60. Deutsche Meisterschaft.
Seitdem fragt sich nicht nur Oliver Kahn: Ist dieser fristlose Rausschmiss überhaupt rechtlich wirksam?
Warum sprechen wir bei einem Fußballverein über Aktienrecht?
Der FC Bayern besteht aus dem Fußball-Club Bayern, München e. V. (kurz: FC Bayern München e.V.), in dem die Fans Mitglied sind.
Das gesamte „Geschäft“ läuft allerdings über die FC Bayern München AG, an der neben den Minderheitsaktionären (je 8,33%) Adidas AG, Allianz SE und Audi AG der FC Bayern München e. V. als Hauptaktionär (75%) beteiligt ist.
Oliver Kahn war Vorstand dieser FC Bayern München AG, weshalb für ihn nicht das Vereinsrecht, sondern das Aktienrecht gilt.
Was passiert rechtlich beim Rausschmiss eines AG-Vorstands?
Die Rechtslage ist relativ komplex. Wer sich genauer dafür interessiert, findet Antworten in unserem Artikel dazu.
Ganz grob lässt sich sagen, dass ein Vorstandsmitglied auf zwei Ebenen mit der AG verbunden ist: Über eine Bestellung und eine Anstellung.
Die Bestellung ist dabei der aktienrechtliche Vorgang, mit dem man die Rechte und Pflichten des Vorstandsamtes erhält, also z.B. die AG nach außen vertreten darf. Die Anstellung ist dagegen ein Dienstvertrag, wie man ihn ähnlich auch aus allen Arbeitsverhältnissen kennt. In ihm ist vor allem geregelt, welches Gehalt der Vorstand für seine Tätigkeit erhält.
Will die AG einen Vorstand loswerden, muss sie beide Verbindungen kappen. Bei der Bestellung erfolgt das durch einen Widerruf (auch Abberufung genannt) und bei der Anstellung durch eine Kündigung. Für beides ist grundsätzlich der Aufsichtsrat zuständig. Und genau der ist bei Kahn auch tätig geworden.
Welche Hürden gibt es hier?
Die erste Herausforderung für den Aufsichtsrat ist zunächst, neben dem Widerruf auch die Kündigung zu erklären. Dies wird nicht selten übersehen.
Die zweite Herausforderung ist, dass man für Widerruf und Kündigung einen wichtigen Grund braucht, damit sie rechtlich wirksam sind.
Und die dritte Herausforderung ist, dass es unterschiedliche rechtliche Maßstäbe für den wichtigen Grund beim Widerruf und bei der Kündigung gibt. Es kann also sein, dass zwar der Widerruf der Bestellung wirksam ist, die Kündigung aber nicht. In diesem Fall hätte man seine Pflichten und Rechte als Vorstand verloren, würde aber immer noch sein Gehalt bekommen.
(Bei Interesse an Einzelheiten, dürfen wir auf den Artikel „Think Big: Funktioniert die AG auch für kleinere Unternehmen“ verweisen.)
Wie ist das nun bei Oliver Kahn konkret?
Wir gehen einfach einmal davon aus, dass der Aufsichtsrat der FC Bayern München AG die erste Hürde genommen und neben dem sofortigen Widerruf der Vorstandsbestellung auch die Vorstandsanstellung von Oliver Kahn fristlos gekündigt hat.
Bei den weiteren Herausforderungen wird es schon heikler.
Als wichtiger Grund für den Widerruf der Bestellung kommt bei Kahn vor allem die Unfähigkeit im Vorstandsamt (§ 84 Abs. 4 AktG) in Form einer Unverträglichkeit zur kollegialen Zusammenarbeit in Betracht.
Für eine Unverträglichkeit reicht es nach der Rechtsprechung aber gerade nicht aus, dass ein Vorstandsmitglied abweichende Meinungen äußert. Eine für die Gesellschaft unzumutbare Unverträglichkeit liegt erst dann vor, wenn konkrete Vorkommnisse in der Vergangenheit sowie eine Prognose für die Zukunft eine gedeihliche Zusammenarbeit nicht mehr erwarten lassen.
Nun kennen wir die Umstände der kollegialen Zusammenarbeit innerhalb der FC Bayern München AG gerade nicht. Festgehalten kann allerdings werden, dass eine umstrittene Trainerentlassung in der Vergangenheit ebenso nachrangig ist, wie der sportliche Erfolg der Mannschaft bei Wettbewerben. Eine Trainerentlassung kann bei bester kollegialer Zusammenarbeit zwischen Vorstand und Aufsichtsrat stattfinden und selbst bei völliger Zerrüttung der AG-Leitung können die Spieler auf dem Platz sportliche Erfolge erzielen. Dass die Bayern einen Tag nach dem Rausschmiss von Oliver Kahn Meister wurden, sagt also noch nichts über die Rechtmäßigkeit der Abberufung.
Während man beim Widerruf noch diskutieren kann, erscheint die Rechtslage bei der Kündigung eindeutiger.
Für eine solche fristlose Kündigung reicht eine Unverträglichkeit zur kollegialen Zusammenarbeit gerade nicht aus. Hier bedarf es einer weiteren Begründung, die es rechtfertigt, Kahn zusätzlich zu seinem Amt auch seine vertragsgemäßen Bezüge zu streichen. Erforderlich ist, dass es für die AG bei Abwägung der relevanten Interessen beider Seiten unzumutbar sein muss, das Anstellungsverhältnis (v.a. die Bezahlung des Gehalts) bis zum Vertragsende fortzusetzen. Hierbei können auch erfolglose Maßnahmen des Vorstands eine Rolle spielen.
Dass hier eine gerichtliche Interessenabwägung tatsächlich zulasten von Oliver Kahn ausfällt, ist aus unserer Sicht eher unwahrscheinlich. Mit dem Gewinn der Deutschen Meisterschaft war es für den FC Bayern jedenfalls kein gänzlich erfolgloses Jahr. Zwar konnten andere Titel nicht gewonnen werden, letztlich stehen aber eben die Spieler auf dem Platz und nicht der Vorstand selbst.
Wie kann Kahn sich rechtlich wehren?
Auch wenn wir davon ausgehen, dass Kahn zu Unrecht aus seinem Amt entfernt wurde, kann er nicht einfach weiterarbeiten. Selbst eine Abberufung ohne wichtigen Grund ist wirksam, solange gerichtlich nicht das Gegenteil festgestellt wird.
Eine solche Klage ist vor dem zuständigen Zivilgericht (also Landgericht und nicht Arbeitsgericht) gegen die AG vertreten durch den Aufsichtsrat zu richten.
Kahn kann also nicht einfach weiterarbeiten. Wenn er jedoch klagt und hierbei gewinnt, kann es für den FC Bayern doppelt peinlich werden: Dann ist Kahn nicht nur wieder Mitglied des Vorstands, sondern auch seine Bezüge müssen in voller Höhe (nach)bezahlt werden. Das Spiel ist also noch nicht entschieden.
Happy End für Kahn – Unhappy End für die AG und den Aufsichtsrat?
Aus den genannten Gründen ist davon auszugehen, dass der FC Bayern ein überaus großes Interesse an einer gütlichen Einigung mit Kahn haben und sich diese auch einiges kosten lassen wird. Zumindest finanziell kann es also ein Happy End für Oliver Kahn geben, wenn er sich gegen seinen Rausschmiss wehrt. Und jemand, der Zitate wie „Eier, wir brauchen Eier!“ geprägt hat, wird sich aller Voraussicht nach nicht wegducken.
Das heißt umgekehrt aber auch: Jetzt kann es für die FC Bayern München AG zusätzlich zu den zahlreichen Negativschlagzeilen auch richtig teuer werden.
Wenn das so kommt, werden sich am Ende die Aufsichtsräte von den Aktionären fragen lassen müssen, ob dieses holprige Vorgehen wirklich notwendig war. Hier lässt sich sogar über eine Aufsichtsratshaftung diskutieren.
Das bestärkt uns einmal wieder, unsere Mandanten von vornherein mit agilen Vertragswerken, kreativen Lösungsszenarien und rechtlich sauberen Vorgehensweisen zu unterstützen. Denn nur so können am Ende alle happy sein.